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Der Abgeordnete des Landtages Dietmar Weihrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hat an den Landtag von Sachsen-Anhalt eine Kleine Anfrage - (KA 6/7349) zur schriftlichen Beantwortung gerichtet.

Vorbemerkung des Fragestellenden:
Aus Sicht des Naturschutzes gehört das Selketal zu den wertvollsten Tälern des Harzes. Die Naturschutzgebiete "Oberes Selketal" und "Selketal" sind Schutzgebiete entsprechend FFH-Richtlinie. Weiterhin ist das Selketal Teil des Vogelschutzgebietes „Nordöstlicher Unterharz“. Die Selke ist als Mittelgebirgsfluss geprägt durch längere Niedrigwasserperioden und kurzen, teilweise extremen Hochwasserspitzen. Das letzte extreme Hochwasserereignis aus dem Jahr 1994 entsprach laut Experten einem HQ 200. Die Selke ist in diesem Bereich fast unverbaut.
Die Antwort der Landesregierung wurde vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt erstellt und am 14.03.2012 (Drucksache 6/920) veröffentlicht.
http://www.landtag.sachsen-anhalt.de/intra/landtag3/ltpapier/drs/6/d0920gak_6.pdf
Kommentar oder Erwiderung
der Bürgerinitiative Naturnaher Hochwasserschutz Selke
zu den Antworten der Landesregierung.
1. In der Hochwasserschutzkonzeption des Landes bis 2020 wird auf Seite 6 ein Paradigmenwechsel im Hochwasserschutz gefordert, welcher bewirkte, dass anstelle des bisherigen fast selbstverständlichen Schutzanspruches das Management von Hochwasserrisiken trete, um hochwasserbedingte  nachteilige Folgen auf die menschliche Gesundheit, die Umwelt, das Kulturerbe und wirtschaftliche Tätigkeiten in der Gemeinschaft zu verringern. Wie wurde dieser Grundsatz bei der Planung des Hochwasserschutzes im Selketal berücksichtigt ?
Antwort der Landesregierung
Der Hochwasseraktionsplan Selke aus dem Jahr 2002, bestätigt durch das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt im Jahr 2003, baut auf Untersuchungen und Arbeitsergebnissen im Gebiet der Selke und im Mündungsbereich der Bode aus den 90er-Jahren auf. Kernstück des Aktionsplans sind die überregionalen grünen, ökologisch durchgängigen Hochwasserrückhaltbecken im Selketal bei Straßberg und Meisdorf. Diese werden ergänzt durch Ausbauvorhaben in bestehenden Ortslagen.
 
Die Zielstellung der Hochwasserschutzkonzeption des Landes Sachsen-Anhalt bis 2020 wird dadurch untersetzt, dass aus der derzeit stattfindenden zweidimensionalen Hochwassermodellierung auch von extremen Hochwasserlagen Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten abgeleitet werden. Diese finden zukünftig Berücksichtigung bei Bebauungsvorhaben im Selketal, vorbereitenden und aktiven Maßnahmen des Katastrophenschutzes und allgemein zur Schärfung des Risikobewusstseins der Bürger.
Kommentar der Bürgerinitiative
Von einem Paradigmenwechsel kann man hier keinesfalls sprechen, sondern erst dann, wenn nicht nur das Risikobewußtsein, sondern auch die Eigenverantwortung der Bürger aktiviert wird. Stattdessen hat die Landesregierung gleich nach dem HW 1994 erklärt, sie würde mit dem Bau der HRB Sicherheit für die Bürger schaffen und sie bräuchten
 sich keine Sorgen mehr zu machen und keine eigenen Vorkehrungen zu treffen. Der Bewuchs der Dämme mit Trockenrasen reicht nicht, um sie "grün" zu nennen - das ist ein Etikettenschwindel !.
Zur ökologischen Durchgängigkeit siehe Frage 17.
Die Gefahren- und Risikokarten liegen immer noch nicht vor.
2. Wie werden die Kommunen bei der Erfüllung der ihnen zufallenden Aufgaben des Hochwasserschutzes  unterstützt ?
Antwort der Landesregierung
Für die Umsetzung von kommunalen Hochwasserschutzmaßnahmen konnten im Rahmen des Konjunkturpakets II in Sachsen-Anhalt insgesamt 22 kommunale Maßnahmen gefördert werden.
Des Weiteren unterstützt das Land die Kommunen, in dem es kostenlose Schulungen zur Aus- und Fortbildung der Mitglieder der Wasserwehren anbietet.
Darüber hinaus wurde für die Gemeinden, die laut Wassergesetz verpflichtet sind, zur Unterstützung der Wasserbehörden eine Wasserwehr zu gründen, zusammen mit dem Ministerium des Innern, dem Städte- und Gemeindebund und dem Landkreistag die Mustersatzung Wasserwehr erarbeitet.
Auch bei der technischen Ausrüstung der Wasserwehren gab es Unterstützung. 2007 stattete das Ministerium des Innern Wasserwehren mit Booten aus.
Kommentar der Bürgerinitiative
In Harzgerode konnte der Bürgermeister von Harzgerode Horst Schöne erst Anfang 2009 erreichen, dass eine Wasserwehr gegründet wird. Dieser fehlt es aber weiterhin an den wesentlichsten Voraussetzungen.
1. Es gibt keinen zentralen Stützpunkt.
2. Die Lagerung von Sand für Sandsäcke ist in einer Halle, in der die Wasserwehr nur "geduldeter Gast" ist.
3. Als "Grundausstattung" gibt es bisher nur eine Regenjacke für jedes Mitglied. "Weitere Ausrüstung" wie z.B. Gummistiefel sind noch nicht verfügbar.
Wie den folgenden Zitaten aus der Hochwasserschutzkonzeption 2020 des Landes zu entnehmen ist, läßt das Land die Kommunen bei der finanziellen Ausstattung und Ausrüstung der Wasserwehren alleine.

S 50 : Die Gemeinden, die erfahrungsgemäß von Hochwasser und Eisgefahr bedroht sind, haben dafür zu sorgen, dass zur Unterstützung der Wasserbehörde ein Wach- und Hilfsdienst für Wassergefahren (Wasserwehr) eingerichtet wird. Voraussetzung für eine erfolgreiche Tätigkeit der Wasserwehren ist deren theoretische und praktische Aus- und Weiterbildung.
S 97 : Die kommunale Verantwortung, die vom Betrieb und der Sicherung des Kanalisationsnetzes unter Hochwasserbedingungen über den Aufbau

von mobilen Hochwasserschutzeinrichtungen bis zur Information der Bevölkerung und die Koordinierung von Rettungs-, Hilfs- und Evakuierungsmaßnahmen reicht, wird in aller Regel durch die örtlichen Wasserwehren wahrgenommen. Sie agieren unter Leitung des Bürgermeisters zur Unterstützung der Wasserbehörden weitgehend selbstständig........

Für einen weiterführenden Bedarf für Kommunen und Landkreise im Rahmen der Gefahrenabwehr und des Katastrophenmanagements sind die Kapazitäten in den beiden Hochwasserschutzlagern nicht berücksichtigt. Landkreise und Wasserwehren richten selbstständig Vorräte ein. Weder Landkreis noch Gemeinden haben das erforderliche Geld; sie haben demnach keine Unterstützung durch das Land ! Die Erarbeitung einer Mustersatzung für Wasserwehren reicht nicht !

In der Broschüre (August 2011) werden auf Seite 6 und 7 Feuerwehrleute aus Meisdorf zitiert, die "portable Schutzsysteme ... schlicht für untauglich" halten. Das danebenstehende Bild beweist das genaue Gegenteil. Das THW hat man 1994 weitergeschickt, weil vor Ort eingeschätzt werden konnte, dass es flußabwärts dringender gebraucht wurde.

3. Plant die Landesregierung Aktivitäten, um betroffene Bürgerinnen und Bürger in Überschwemmungsgebieten beim Abschluss von Elementarversicherungen zu unterstützen? Wenn ja, welche konkret? Wenn nein, warum nicht ?
Antwort der Landesregierung
Das Land bereitet eine Sensibilisierungskampagne zur Verbesserung der Versicherungssituation der Bevölkerung
gegen Unwetterfolgen vor. Diese wird auch Informationen zu möglichem Versicherungsschutz in hochwassergefährdeten Gebieten beinhalten.
Kommentar der Bürgerinitiative
Es geht nicht darum, eine Sensibilisierungskampagne vorzubereiten, sondern die Versicherungswirtschaft per Gesetz zu veranlassen, den Bürgern wirksame und bezahlbare Versicherungen anzubieten.

Auf S. 91 der Hochwasserschutzkonzeption ist zu lesen:
"5.3.5 Risikovorsorge
Der Versicherungsschutz wird in Sachsen-Anhalt schon immer als wichtiger Baustein des Hochwasserschutzes im Rahmen der Eigenvorsorge (Risikovorsorge) jedes Einzelnen gesehen.
Deshalb hat sich Sachsen-Anhalt Ende der 90er Jahre auch aktiv an einer bundesweiten Initiative der Versicherungswirtschaft beteiligt.
Gemeinsam mit dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) wurde im Jahr 2001 das Projekt "Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen" (ZÜRS) fertig gestellt. Da hier schon immer großes öffentliches Interesse bestand, wurden vom Land Sachsen-Anhalt die

Überschwemmungsgebietsdaten zur Verfügung gestellt.
 Vom GDV wurden die Überschwemmungsgebiete in Abhängigkeit von der Hochwasserwahrscheinlichkeit in folgende 4 Gefährdungsklassen eingeteilt:
GK 1: sehr geringe Gefährdung (HW statistisch seltener als einmal in
              200 Jahren)
GK 2: geringe Gefährdung (HW statistisch einmal in 50 bis 200 Jahren)
GK 3: mittlere Gefährdung (HW statistisch einmal in 10 bis 50 Jahren)
GK 4: hohe Gefährdung (HW statistisch in 10 Jahren)"

Nach unserer Kenntnis schließen die Firmen der Versicherungswirtschaft bei GK 4 gar keine Versicherung ab. Das muß geändert werden, damit die Menschen, die tatsächlich von Hochwasser bedroht sind, eine Versicherung haben können. Z.Z. ist es doch so, dass die Versicherungswirtschaft nur mit solchen Bürgern eine Hochwasserversicherung abschließt, die gar nicht von Hochwasser bedroht sind.

4. Welche Gutachten lagen den geplanten Hochwasserrückhaltebecken bei Meisdorf und Straßberg und weiteren Hochwasserschutzmaßnahmen zugrunde? Ist auch ausreichender Hochwasserschutz oberhalb des Hochwasserrückhaltebeckens Straßberg sowie für Silberhütte und Alexisbad nachgewiesen ?
Antwort der Landesregierung
Der Aktionsplan Hochwasserschutz Selke bildete die Grundlage weiterer Untersuchungen und Gutachten.
Im Rahmen der Untersuchung zur Verbesserung des Hochwasserschutzes für die Ortslagen an der Selke sind insgesamt 14 Varianten untersucht worden.
Für die Bemessung des notwendigen Rückhaltevolumens vor allem im oberen Abschnitt des Hochwasserentstehungsgebietes wurde ein Niederschlag-Abfluss-Modell aufgestellt. Für beide Hochwasserrückhaltebecken liegen FFH-Verträglichkeitsuntersuchungen vor. Auf der Grundlage terrestrischer Vermessungen sowie einer Laser-Scan-Befliegung sind sowohl eine eindimensionale- und aktuell eine zweidimensionale hydraulische Modellierung durchgeführt worden, in deren Ergebnis die Überflutungsflächen mit den vom Hochwasserereignis abhängigen Wassertiefen kartographisch
dargestellt sind.
Gesonderte Untersuchungen wurden vorgenommen zur Bewertung von Einstaumöglichkeiten im Uhlenbachtal, im Zusammenhang mit der oftmals dargestellten Möglichkeit eines alternativen Hochwasserrückhaltes im Vergleich zu den bekannten Standorten. Ebenfalls untersucht wurden die Wirkungsweise und Bewirtschaftung der Harzteiche. Der Hochwasserschutz für die oberhalb des Hochwasserrückhaltebeckens Straßberg liegende Ortschaft Güntersberge ist ebenso Bestandteil des Hochwasseraktionsplanes Selke wie für die anderen Ortslagen, auch Silberhütte und Alexisbad. In Auswertung der Ergebnisse der hydraulischen Modellierung für verschiedene Abflussszenarien werden die Defizite/Schwachstellen aufgezeigt und geeignete Hochwasserschutzmaßnahmen technisch und naturschutzfachlich untersucht.
Kommentar der Bürgerinitiative
Leider kennen wir keines der o.g. Untersuchungen und Gutachten. Selbst wenn sie in den Unterlagen zum Planfeststellungsverfahren enthalten sein sollten, sind sie wegen der Kürze der für Stellungnahmen zur Verfügung stehenden Zeit von 4 Wochen kaum bewertbar.
Wir haben darauf hingewiesen, dass die Verhinderung des Kaltluft-Abflusses im Selketal bei Meisdorf das Mikroklima negativ verändert. Dieser Hinweis wurde anfänglich vom LHW als lächerlich abgetan, dann aber eine Untersuchung in Auftrag gegeben, dessen Vorgehensweise und Ergebnis wir nicht
kennen.
Dass FFH-Verträglichkeitsuntersuchungen vorliegen, besagt ja nicht, dass die Verträglichkeit gegeben ist. In dem Planfeststellungsverfahren zum HRB Wippra "....... wird festgestellt, dass das Vorhaben erhebliche Beeinträchtigungen von Erhaltungszielen des Schutzgebietes ..... nach sich zieht. Daher ist es erforderlich, ein Ausnahmeverfahren ..... durchzuführen."
 Hier werden also bewußt Naturschutz-Gesetze verletzt. Trotzdem wurde das Verfahren eröffnet. Für die HRB im Selketal ist daher das gleiche zu befürchten.
5. Welche Hochwasserschutzmaßnahmen wurden seit 1994 umgesetzt ?  Wie hat sich seitdem das Risikopotential verändert ?
Antwort der Landesregierung
Im Einzugsgebiet der Selke wurden seit 2002 insgesamt 81 Vorhaben in einem Wertumfang von 4,8 Mio. € zur Verbesserung des Hochwasserschutzes umgesetzt. Es handelt sich um Studien, Planungen, Unterhaltungsmaßnahmen und Bauvorhaben. Es überwiegen Instandhaltungs- und Unterhaltungsarbeiten an Ufern, Böschungen und Sohle, sowie in hohem Maße die Beräumung von Schotterbänken aus dem Flussbett im Bereich von Ortslagen unter Brücken usw.
Wirksam zur Verringerung des Risikopotentials beigetragen haben die investiven Maßnahmen im Bereich Gatersleben. Hier wurde das Selkewehr oberhalb der Ortslage umgebaut und mit einem wirksamen Fischpass versehen. Der Selkeausbau in der Ortslage Gatersleben steht kurz vor der Fertigstellung. Durch die Ausbaumaßnahme in Gatersleben kann der Hochwasserschutz von einem HQ 5 auf ca. ein HQ 20 erhöht werden.
Kommentar der Bürgerinitiative
Die Beräumungsarbeiten in und am gesamten Selkelauf wurden in unterschiedlicher Intensität durchgeführt. Eine Uferstabilisierung in Hoym erfolgte zum Jahreswechsel 2011/12 im km 13,65 bis 13,76.
Der Selkeausbau in Gatersleben ist fast abgeschlossen, Restarbeiten (z.B. Fußgängerbrücke) laufen noch. Die Schutzmauer in Richtung Wehranlage endet in der Ortslage in ca. 60 cm Höhe über der Straße. Hier sollte eine Fortführung der 
Mauer bis zum Niveauausgleich erfolgen, sonst wäre sie überflüssig.
Der Rückbau der alten Wehranlage und der Neubau der Wehranlage bringen nach unserer Einschätzung keine Verbesserung der technischen Parameter. Zu begrüßen ist die Vollendung der Fischtreppe.
Nach unserer Kenntnis haben die Reparatur des Wehrs keinen und die Kanalisierung der Selke nur einen geringen (von HQ 5 auf HQ 20) Einfluß auf den Hochwasserschutz in Gatersleben.
6. Wie wurden Bürgerinnen und Bürger in die Planung einbezogen, die sich u. a. für naturverträgliche Varianten des Hochwasserschutzes einsetzen ?
Antwort der Landesregierung
Der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft und der Talsperrenbetrieb haben in ca. 50 Veranstaltungen Bürgerinnen und Bürger über jeweilige Planungsstände informiert.
Dies betraf Veranstaltungen mit der regionalen Bürgerinitiative, Einwohnern, Bürgermeistern, Stadträten und Verbänden. Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem Planfeststellungsverfahren für die Investitionen in Gatersleben,
aber auch solche Aktivitäten wie die Herausgabe von Sonderbeilagen zum Hochwasserschutz im Selketal in den Jahren 2010 und 2011.
Des Weiteren ließ der Talsperrenbetrieb 2008 einen Film erstellen, der die Hochwassersituation entlang der Selke im April 1994 dokumentiert, eine Animation über die Betriebsweise der beiden geplanten Grünen Becken zeigt und Befürworter und Gegner zu Wort kommen lässt.
Kommentar der Bürgerinitiative
Über die Planungsstände wurden wir nur auf Anfrage informiert - und über die Planungsinhalte nur sehr unvollständig, z:B. indem wir zufällig im Internet die Seite von Hydroprojekt Weimar fanden.
Das Planfeststellungsverfahren Gatersleben zeigte die ganze Widersprüchlichkeit der Hochwasserplanung. Uns wurde immer wieder versichert, dass das Ergebnis der Planfeststellungsverfahren zu den Dämmen ergebnisoffen sei. Und dass andererseits der Schutz vor einem HQ 100 unabdingbar oder sogar gesetzlich vorgeschrieben sei. Die Maßnahme in Gatersleben bieten aber nur den Schutz vor einem HQ 20 und nur im Zusammenhang mit den Rückhaltebecken Meisdorf ein HQ 100. Also ist entweder HQ
100 nicht zwingend, oder mit dem Verfahren für Gatersleben hätte der Hochwasserschutz für das gesamte Selkegebiet dargelegt werden müssen. Unsere Einwände wurden verworfen.

In dem Film "Die Selke : Idyllischer Bach - reißendes Wasser" läßt man zwar auch Gegner der HRB reden, aber keinen Vertreter des NABU oder unserer Bürgerinitiative. Ein Biologe spricht von einem unschädlichen "Film", der nach einem Hochwasser auf Gelände und Pflanzen zurückbleibt. Wir befürchten - zumindest nach einem HQ 100 - eine geschlossene dicke Schlammschicht, die alles Leben erstickt. Dieser Schlamm wird überwiegend aus den Halden des Altbergbaus in Silberhütte und Mägdesprung stammen und ist hochgradig toxisch.
Zu den Sonderbeilagen siehe bei Frage 11.
7. Welche von der Bürgerinitiative „Naturnaher Hochwasserschutz Selke“ vorgeschlagenen Einzelmaßnahmen wurden einer näheren Prüfung unterzogen und mit welchem Ergebnis ?
Antwort der Landesregierung
Schwerpunkt der Vorschläge der Bürgerinitiative waren eine verstärkte Nutzung der Harzteiche, ein alternativer Rückhaltebeckenstandort im Uhlenbachtal, die Errichtung von Flügeldeichen oberhalb der Ortslagen zum Hochwasserrückhalt in den Auen und Flusstälern und die Errichtung einer Umflutmulde um die Ortslage Gatersleben.
Diese konkreten Vorschläge wurden in Einzelgutachten und in der Stellungnahme zum Planfeststellungsverfahren der
Hochwasserschutzmaßnahme in Gatersleben untersucht und beantwortet. Die von der Bürgerinitiative vorgeschlagenen Maßnahmen stellten weder einzeln noch in Kombination einen Ersatz für die Hochwasserrückhaltebecken und die ergänzenden Maßnahmen in den Ortslagen dar. Sie wurden nicht nur technisch, sondern auch finanziell bewertet und sind auch hinsichtlich der großen Flächeninanspruchnahme bzw. Überplanung naturnaher Flächen (Harzteiche) keine wirkliche Alternative.
Kommentar der Bürgerinitiative
Unser Vorschlag, die Harzteiche zu nutzen, war nur einer von mehreren und nicht der vorrangige - siehe unser Kommentar zur Frage 11.
Von Flügeldeichen haben wir nie gesprochen. Am 5. April 2011 unterbreiteten wir in einem Brief Herrn Minister Dr. Aeikens. unsere wichtigsten Vorschläge:
1. Lange Wiese Meisdorf
2. HRB Ermsleben
3. Malinius-, Franken- und Kiliansteich und Mühlteich Güntersberge
4. HRB Uhlenbach
5. Umflutmulde Gatersleben
Von einer Untersuchung unserer Vorschläge ist uns nichts
bekannt und sie wurden auch nicht beantwortet, sie wurden lediglich in Veranstaltungen des LHW ohne weitere Begründung pauschal als unnötig oder undurchführbar bezeichnet.
Der Minister schlug in seinem Antwortschreiben vor, das Ergebnis der Genehmigungsverfahren abzuwarten.
Wieso sollten unsere Vorschläge, die bisher ignoriert wurden, im Verfahren berücksichtigt werden ? Die Bürgerbeteiligung erweist sich als ein rein formales Verfahren.

Die o.g. von uns vorgeschlagenen Maßnahmen ergänzen wir in folgender Liste. Dabei wurde von der technisch machbaren Größe der Hochwasserschutzmaßnahmen in dem jeweiligen Gelände ausgegangen. Aber die zu realisierende Größe muß unter Berücksichtigung von Ökologie und Ökonomie festgelegt werden.
Katzsohlbach
Damm oberhalb des kleinen Teiches.
Obwohl nicht im NSG ist seine Inanspruchnahme für die Natur ein großer Verlust.

Mühlteich Güntersberge
Erhöhung des Dammes um ca. 1m.
Der Bahndamm und die Gebäude am Ufer werden nicht beeinträchtigt
Mit seinem großen Einzugsgebiet und der großen Teichfläche bietet diese Volumenvergrößerung einen hohen Schutz für die Unterlieger.

HRB Straßberg
Genauere Berechnungen werden höchstwahrscheinlich ergeben, dass das HRB kleiner werden kann.

Frankenteich, Kiliansteich, Teufelsteich, Fürstenteich
Der Franken-, Kilians-, Teufels- und Fürstenteich sind schon vom LHW für den Hochwasserschutz vorgesehen. Deshalb sollte ihr normaler Wasserstand - mindestens aber ab Herbst - etwa 1 m unter dem Stauziel liegen, um immer ein Volumen für einen plötzlichen Starkregen bieten zu können.
Der Maliniusteich bildet den Abfluß aus Franken- und Kiliansteich und muß dafür ertüchtigt werden.
Das Teichvolumen kann vor einem in den Vorhersagen angekündigten Unwetter über die obengenannte Absenkung hinaus weiter bis zu einem der Flora und Fauna der Teiche verträglichen Maß verringert werden. Damit bieten die Teiche einen wesentlichen Schutz für die Bewohner des Selketals.
Ein Ausbau dieser Teiche würde nur einen geringen weiteren Effekt bringen, weil ihr Einzugsgebiet sehr klein ist.

HRB Uhlenbach
Damm oberhalb der Aufbereitungsanlage zur Klärung der Grubenwässer aus den Wasserlösungsstollen
Rückstaufläche bis an die B 242
Die Undurchführbarkeit wird vom Landesamt für Geologie und Bergwesen nicht bestätigt.
Trotz HRB Straßberg erforderlich zum Schutz von Silberhütte, Mägdesprung und der Siedlungen I. Hammer bis Selkemühle
ökologisch unproblematisch.

Lange Wiese Meisdorf
Damm vor dem ehemaligen Schwimmbad; Rückstau bis zum Pegel
Der verbleibende Durchfluß entspricht dem in der Selkestudie (Seite 90) genannten bordvollen Durchfluß.
Daher ist ein HRB bei Meisdorf hochwasserschutztechnisch überflüssig und würde das NSG Selketal zerstören.

HRB Ermsleben
Damm entlang des Bahndammes und bis zum südlichen Rand des Flusstales
Rückstaufläche bis kurz vor Meisdorf
Höherer Schutz vor Hochwasser für alle Orte selkeabwärts einschl. Ermsleben als es mit dem HRB Meisdorf möglich wäre

Umflutmulde Reinstedt
1994 ist in dem offensichtlich ehemaligen Flußbett ein Teil des Hochwassers geflossen. Dieses Flußbett ist wieder herzurichten. Am Ortseingang von Reinstedt wird ein Sperrbauwerk errichtet, das bei Hochwasser so gesteuert wird, dass die schadlos durchleitbare Wassermenge durch den Ort und die darüber hinausgehende Menge über die Umflutmulde fließt.

HRB Getel
nimmt die Wassermassen aus Ballenstedt auf

Umflutmulde Gatersleben
Verläuft von einem neu zu bauenden Wehr zwischen Hoym und Gatersleben, dann westlich Gatersleben bis Hausneindorf und entlang des Bahndammes bis zur Mündung in die Bode.
- Die Mulde wird durch einen ca. 1,5 m hohen Deich gegen den Ort Gatersleben (östlich) und den westlichen Rand des Überschwemmungsgebietes von 1994 begrenzt.
- Erforderlich zum Schutz von Gatersleben vor einem HW aus dem Entstehungsgebiet der Selkeaue

Der Hochwasserschutz für Güntersberge, Silberhütte und Alexisbad findet hier stärkere Berücksichtigung; für Meisdorf sind örtliche Maßnahmen erforderlich, wenn nicht ein niedrigerer Schutz in Kauf genommen werden soll.
Wir erheben nicht den Anspruch, dass diese von uns vorgeschlagenen Maßnahmen billiger sind als die Planungen des LHW, aber sie dienen der Erhaltung der unbezahlbaren Natur !

8. Welche weiteren Alternativen für die vorgesehenen Hochwasserrückhaltebecken wurden geprüft ?
Antwort der Landesregierung Siehe Antwort zu 4.
Kommentar der Bürgerinitiative
Keines der Vorhaben und Varianten des LHW berücksichtigt
die naturschutz- und tourismusfachlichen Aspekte und bewertet diesbezügliche Alternativen.
9. Welche Gründe haben zur Ablehnung der Planungsalternativen geführt ?
Antwort der Landesregierung Siehe Antwort zu 7. Absatz 2.
Kommentar der Bürgerinitiative Es wurden uns keine Gründe genannt.
10. Für welches HQ plant das Land diese Hochwasser-rückhaltebecken? Welche Volumina können  durch  die Hochwasserrückhaltebecken gebunden werden ?
Antwort der Landesregierung
Die Hochwasserrückhaltebecken sind für Hochwässer mit einer 100-jährlichen Wahrscheinlichkeit (HQ 100) geplant. Das
Rückhaltevolumen des Hochwasserrückhaltebeckens Straßberg beträgt 2,54 Mio m³ und das Rückhaltevolumen des Hochwasserrückhaltebeckens Meisdorf 1,92 Mio m³.
Kommentar der Bürgerinitiative
Für die Ermittlung dieser Größen kennen wir keine Annahmen oder Berechnungsunterlagen. In den Unterlagen, die uns vorliegen, haben wir aber Widersprüche festgestellt.
So wird in der Broschüre (Aug 2012) auf Seite 6 der Hochwasserspitzenwert am 13. April 1994 für Meisdorf mit 112,78 m³/s und auf der Internetseite des TSB der höchste Durchfluß mit 85,7 m³/s angegeben.
11. In einer Broschüre des Landestalsperrenbetriebs wird dargestellt, dass bei Reaktivierung der Harzteiche
31 %  des Volumens der geplanten
 Hochwasserrückhaltebecken bereitstehen könnten. Wie und auf welchen Grundlagen wurde dies berechnet ?
Antwort der Landesregierung
Für die vorhandenen „Harzteiche“ im oberen Einzugsgebiet der Selke wurde die Wassermenge ermittelt, die insgesamt (als Ausgangspunkt der Berechnung sind alle Harzteiche komplett
leer) eingestaut werden könnte und mit dem benötigten Volumen am Standort des Hochwasserrückhaltebeckens Meisdorf verglichen. Die Annahme eines Ausgangszustandes mit leeren Harzteichen ist jedoch rein theoretisch.
Kommentar der Bürgerinitiative
Da die Harzteiche wichtige ökologische Funktionen erfüllen, steht eine komplette Inanspruchnahme für den Hochwasserrückhalt überhaupt nicht zur Debatte.
In der sogenannten "Informations"broschüre des Talsperrenbetriebes wird trotzdem den Lesern die Speichermöglichkeit der geleerten Harzteiche benannt – jedoch ohne diesen Umstand zu verdeutlichen.
Es ist zu begrüßen, dass die Landesregierung hier nun öffentlich zugibt, dass der Talsperrenbetrieb die Öffentlichkeit falsch informiert hat. Denn durch die Nennung einer Speichergröße mit der o.g. Zahl, die faktisch nicht wirklich vorhanden ist, wird die Öffentlichkeit regelrecht irregeführt.
Die Bürgerinitiative „Naturnaher Hochwasserschutz Selke“ hat immer wieder gefordert, die Harzteiche in dem Umfang einzubeziehen, in welchem dies ökologisch unschädlich ist. Durch die Nutzung einer oberen Wasserlamelle von ca. 1-2 m Dicke bei allen Teichen wird ein wichtiger Beitrag zur
 Hochwasserrückhaltung im Entstehungsgebiet geleistet. Zusammen mit der bedeutenden Rückhaltemöglichkeit im mittleren Abschnitt des Uhlenbachtales können sowohl die nach wie vor bedrohten Orte Silberhütte und Alexisbad als auch das untere Selketal und der Ort Meisdorf vor einem HQ 100 ausreichend geschützt werden – und zwar ohne ein naturzerstörerisches HRB Meisdorf.
Die ökologisch unschädliche Nutzung der oberen Wasserschicht aller Teiche, die die Bürgerinitiative seit langem fordert, muss deswegen um so deutlicher betont werden, als der Talsperrenbetrieb sowohl in seiner "Informations"broschüre (August 2011), Seite 4 als auch in der Zeitschrift "Der Harz" (5/2012) wider besseres Wissen behauptet hat, die Vorstellungen der Naturschützer würden zu einer ökologischen und landschaftlichen Wüste bei den Harzteichen führen. Verantwortungsloser kann man die Tatsachen gar nicht verdrehen – denn eine ökologische Wüste wird ja gerade vom LHW und dem TSB mit dem HRB Meisdorf geplant.
12. Wann sollen die Planfeststellungsverfahren für die beiden Hochwasserrückhaltebecken eröffnet werden ?
Antwort der Landesregierung
Das Planfeststellungsverfahren für das Hochwasserrückhalte-becken Meisdorf soll Mitte 2012 und
für das Hochwasserrückhaltebecken Straßberg Ende 2012 eröffnet werden.
Kommentar der Bürgerinitiative
Diese Terminangaben widersprechen den bisherigen - siehe Tabelle beim Kommentar zu Frage 13.
Am 3.11.2011 erklärte Herr Henning, der Direktor des LHW und des TSB auf einer öffentlichen Veranstaltung in Ermsleben für die Stadträte von Falkenstein, dass beabsichtigt sei, und so auch vom Landesverwaltungsamt gefordert, zuerst das Planfeststellungsverfahren für das HRB Straßberg durchzuführen, in diesem aber alle Angaben und Unterlagen zur
Beurteilung der gesamten Hochwasserschutzmaßnahmen im Selketal, als auch des HRB Meisdorf vorzulegen.

Im Hochwasseraktionsplan Selke von 2002 werden für den Abschluß der Planfeststellungsverfahren und die Baufertigstellung jeweils als früheste Termine genannt:
HRB Straßberg          IV /2005               IV 2007
HRB Meisdorf             III / 2006               IV 2009.
13. Wie hoch sind die Bau- und Planungskosten der beiden Hochwasserrückhaltebecken und der weiteren Schutzmaßnahmen ?
Antwort der Landesregierung
Die Planungs- bzw. Baukosten für die Hochwasserrückhaltebecken stellen sich wie folgt dar:
 
 
  
  Planungskosten [Mio. €] Baukosten [Mio. €]
Hochwasserrückhaltebecken Straßberg 1,1  21,0
Hochwasserrückhaltebecken Meisdorf 0,92 11,5
Kommentar der Bürgerinitiative
In der Hochwasserschutzkonzeption 2020 ist auf Seite 82 folgende Tabelle 7 abgedruckt.
"Sie verdeutlicht die erreichten Sachstände, ordnet die Maßnahmen zeitlich und prioritär und führt die erfoderlichen Kostenansätze getrennt nach Investitions- und jährlich wiederkehrenden Kosten detailliert auf."
Hochwasserrückhaltebecken (HRB) Aktuelle Kostenansätze gesamt [Mio. €] Planungszeitraum Umsetzungs-zeitraum
Wippra  16,5 2001-2011 2012-2014
 Straßberg 21,0 2004-2012 2014-2016
Meisdorf 11,5 2005-2013 2016-2018
  ................      
Harzteiche (Kleinmaßnahmen/Unterhaltung) 3,0 je Jahr - -1) wird im Kapitel 5.3.3.3 Deich-, Gewässer- und Anlagenunterhaltung beachtet  
Summe 54,55    
In der Selkestudie des Dresdner Planungsbüros waren die Baukosten geschätzt worden:
HRB Straßberg     20,2 Mio DM    = 10,328 Mio €      (S. 34)
HRB Meisdorf       11,0 Mio DM       = 5,624 Mio €     (S. 16)
also 1,00 DM = 1,00 € !
Wer weiß, wie sich die Baupreise weiter bis 2018 entwickeln werden.
Wir haben nie behauptet, dass unsere Vorschläge weniger kosten werden, als die Planungen des LHW - aber wieviel kostet zerstörte Natur ? Sie ist unbezahlbar !!!
Im Hochwasseraktionsplan Selke von 2002 werden die an der Selke erfaßten Schäden mit 53,526 Mio DM = 27,367 Mio € beziffert.
Daraus zieht die Hochwasserschutzkonzeption 2020 die Schlußfolgerung : "Allgemein gilt, dass die Schadenssummen der Hochwasserereignisse 1994 an Wipper und Selke die Baukosten für die HRB im Harz um ein Vielfaches übersteigen."
 - das sollte noch einmal nachgerechnet werden !!!!
14. An den Standorten der geplanten Hochwasserrückhaltebecken wurden Baugrunduntersuchungen durchgeführt. Wurden dabei die naturschutzfachlichen Auflagen eingehalten und in welcher Tiefe wurden bei den Probebohrungen tragfähige und ausreichend dichte Gesteinsschichten gefunden ?
Antwort der Landesregierung
Die mit Bescheid vom 13. Juni 2002 erteilten Auflagen zur Durchführung von Bohrungen zur geologischen Baugrunderkundung wurden eingehalten. Die Ergebnisse der Probebohrungen für das Hochwasserrückhaltebecken Straßberg haben gezeigt, dass in der Regel ab einer Tiefe von
2 m unter Geländeoberfläche gegründet werden kann.
Die Ergebnisse der Probebohrungen für das Hochwasserrückhaltebecken Meisdorf ergaben, dass in der Regel ab einer Tiefe von 1,20 m unter Geländeoberfläche gegründet werden kann.
Kommentar der Bürgerinitiative
Die Auflagen waren lt. Bescheid des LVA v. 16.01.2006: Bohrarbeiten im NSG Selketal - HRB Meisdorf:

Ziff. 2.2 "Schürfe vorzugsweise durch Handschachtung" und Ziff. 2.3 "... Entfernung von Gehölzen mit einem BHD > 10 cm sind unzulässig." Schreiben des LVA zu Vorwürfen der Nichteinhaltung der Auflagen: "Die Bäume wurden durch das zuständige Forstamt entfernt. Dies ist im Rahmen der in § 5 der VO zum NSG Selketal freigestellten Bodennutzung erlaubt." Zu der ausschließlich vorgenommenen Bohrung

mit schwerem Gerät keine Aussage. Schlußfolgerung des LVA: .... keine Verstöße zu erkennen .....

Normalerweise werden die Ergebnisse von Bohrungen an die "Landesbohrdatenbank LSA" gemeldet und von dieser veröffentlicht; für die beiden HRB-Standorte liegen sie z.Z. nicht vor. Lediglich von dem 1960 geplanten Standort einer Talsperre sind Bohrungen vermerkt, die im Talgrund Grauwacke ab 5,8 m Tiefe angeben.

15. Wo soll das Baumaterial zum Bau der Hochwasserrückhaltebecken gewonnen werden, über welche Wege soll es zu deren Standorten transportiert werden und welche Wege und Straßen müssen durch den Transport ausgebaut oder befestigt werden ?
Antwort der Landesregierung
Es wird angestrebt, das Dammschüttmaterial für das Hochwasserrückhaltebecken Meisdorf im Umkreis von 15 - 40 km zu gewinnen, da Seitenentnahmen im Selketal aufgrund des FFH-Gebietes nicht möglich sind. Die Materialtransporte erfolgen ausschließlich aus Richtung Meisdorf, die dafür notwendigen Ausbau- bzw. Befestigungsmaßnahmen richten 
sich nach Transportweg und -art.
Für das Hochwasserrückhaltebecken Straßberg ist die Gewinnung des Baumaterials für den Damm aus einer Seitenentnahme in unmittelbarer Umgebung möglich, da sich hier keine FFH-Betroffenheiten ergeben. Es ist eine Baustraße anzulegen.
Kommentar der Bürgerinitiative
Es wird vermutet, dass das Material für das HRB Meisdorf aus dem Steinbruch Rehköpfe Ballenstedt genommen werden soll. Gegen diesen Aufschluß gibt es massive Bürgerproteste.
Bei einer geplanten Bauzeit von ungefähr 2 Jahren werden Massen von Baumaterialien über die dafür nicht geeigneten Straßen befördert werden müssen und die Ruhe der Gäste und der Bürger des Ortsteils Meisdorf massiv beeinflussen. Ebenso
betrifft dies die Brücken, welche direkt an die Baustelle heranführen. Die Wege und Straße sind teilweise so eng, dass ein gegenseitiger Verkehr von im Transport üblichen Fahrzeugen nicht möglich sein wird und somit Ausweichrouten gebaut oder angelegt werden müssen. Diese Ausweichrouten werden den Flächenverbrauch für den Transport weiter vergrößern und den Besuchern des Selketals weiteren Platz nehmen.
16. Ist durch die geplanten Maßnahmen eine Verschlechterung der Selke nach EG- Wasserrahmen- richtlinie (WRRL) zu erwarten? Wie geht die Landesregierung mit dem von der EG-WRRL geforderten Verschlechterungsverbot um ?
Antwort der Landesregierung
Die geplanten Maßnahmen und deren Auswirkungen führen zu
keiner Verschlechterung der Selke nach EG-WRRL.
Kommentar der Bürgerinitiative
Eine Verschlechterung der Gewässerqualität ist im Sinne der WWRL u.a. die Reduzierung der ökologischen Durchgängigkeit durch ein Bauwerk. Wenn diese nicht gegeben ist (siehe Kommentar zur Frage 17), verstößt der geplante Damm definitiv dagegen.

WRRL Artikel 1 a):
Ziel dieser Richtlinie ist die Schaffung eines Ordnungsrahmens für den Schutz der Binnenoberflächengewässer, der Übergangsgewässer, der Küstengewässer und des Grundwassers zwecks
a) Vermeidung einer weiteren Verschlechterung sowie Schutz und Verbesserung des Zustands der aquatischen Ökosysteme und der direkt von ihnen abhängenden Landökosysteme und Feuchtgebiete im Hinblick auf deren Wasserhaushalt,

17. Welche konkreten Maßnahmen sind zur Sicherung der ökologischen Durchgängigkeit geplant? Wie wird eine  begleitende Erfolgskontrolle solcher Maßnahmen gesichert ?
Antwort der Landesregierung
Bei beiden Hochwasserrückhaltebecken wird die Selke kurz vor und hinter dem Damm in einem ökologisch angelegten, dem der Leitfischart (hier: Epirithral) angepassten Gewässerbett geführt. Die Gerinneausbildung erfolgt durch eine Steinschüttung aus Wasserbausteinen. Dabei wird eine Abstufung der Steingrößen bis an die Kornfraktion des natürlichen Gewässerbetts
vorgesehen. Die Gewässersohle wird mit naturraumtypischem Sohlsubstrat gestaltet, um auch den Benthosorganismen die Passage zu ermöglichen. Die Erfolgskontrolle wird über den Gewässerkundlichen Landesdienst bzw. die Obere Fischereibehörde erfolgen, welche die Ergebnisse des projektbegleitenden Gewässermonitorings abfordert und auswertet.
Kommentar der Bürgerinitiative
Die Frage bezieht sich eindeutig sowohl auf die ökologische Durchgängigkeit des Dammbauwerkes als auch auf die Gestaltung des Gewässerbettes vor und hinter dem Damm. Somit bleibt die Frage, ob solche Bauwerke also überhaupt ökologisch durchgängig sein können, weiterhin unbeantwortet.
Darauf, dass die Selke in dem Damm durch einen ca. 50 m langen Tunnel geführt werden soll, wird gar nicht eingegangen.
Das geplante Rückhaltebecken Meisdorf befindet sich nicht in der oberen Flussregion (Epirhithral) sondern muss vom Dammbauwerk Straßberg auch in der ökologischen Planung (selbst vor und hinter dem Damm) getrennt werden und sollte fachlich als Mittlere Bach- bzw. Flussregion (Metarhithral) eingestuft werden.

Das Planungsbüro - Hydroprojekt Weimar - schrieb in seinen betrieblichen Mitteilungen im Mai 2007 (Veröffentlichung im Internet zurückgezogen) :
....... Die rechtlich untersetzte Forderung nach ökologischer Durchgängigkeit ist relativ neu. Eine Reihe von ökologisch durchgängigen Becken wurde in Baden-Württemberg errichtet. Dort wurden und werden Erfahrungen, insbesondere bezüglich der Betriebseinrichtungen gesammelt. Allerdings sind die Absperrbauwerke niedriger als 10 m und die Betriebseinrichtungen werden in der Regel in einem offenen Bauwerk durch einen Damm geführt. Das HRB Meisdorf wird aber eine Kronenhöhe von ca. 17 m haben. Ökologisch durchgängige Bauwerke dieser Größenordnung sind in Deutschland bisher nicht realisiert worden. Es wird also in gewisser Weise Neuland betreten. ........

18. Wann, wie lange und in welchem Bereich wurde das Vorkommen prioritärer Arten oder Lebensraumtypen nach Anhang I bzw. II der FFH-Richtlinie untersucht? Können diese prioritären Arten und Lebensraumtypen durch die geplanten Hochwasserrückhaltebecken erheblich beeinträchtig werden ? Welche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind für diese prioritären Arten und Lebensraumtypen geplant? Wie soll die Durchführung und Wirksamkeit der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erreicht werden ? Sind Kosten für solche Maßnahmen in den Gesamtkosten berücksichtigt worden ?
Antwort der Landesregierung
Kartierungen von Lebensraumtypen sowie prioritären Arten nach Anhang I bzw. II der FFH-Richtlinie wurden seit 2003 bis heute im Wirkraum der geplanten Anlagen durchgeführt. In den naturschutzfachlichen Planunterlagen sind Beeinträchtigungen der zuvor genannten Arten bzw. Lebensraumtypen erörtert. Über die Erheblichkeit der Beeinträchtigung entscheidet die Planfeststellungsbehörde im Genehmigungsverfahren.
Als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind die Schaffung
neuer Habitate für o. g. Arten, die Entwicklung eines naturnahen Selkeverlaufs bei Gatersleben und Hoym sowie die Initiierung von o. g. Lebensraumtypen im betroffenen Naturraum nach den Baumaßnahmen vorgesehen. Für den im Eingriffsgebiet verloren gehenden Wald wird eine Erstaufforstung an anderer Stelle vorgesehen. Die Kosten für die o. g. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind sowohl in den Planungs- als auch in den Baukosten enthalten.
Kommentar der Bürgerinitiative
Wenn die Planfeststellungsbehörde über die Erheblichkeit der Beeinträchtigung der Lebensraumtypen sowie der prioritären Arten nach Anhang I bzw. II der FFH-Richtlinie erst im Genehmigungsverfahren entscheidet, wie können dann jetzt schon die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und deren Kosten in vollem Umfang geplant sein?
Wenn eine Nichtverträglichkeit des Bauwerkes mit den FFH-Richtlinien bescheinigt wird, vergleichbar mit dem Damm bei Wippra, hat das entscheidende Wirkung auf die Genehmigungsfähigkeit, Kosten und weitere Planungen.

Hochwasserschutzkonzeption 2020 S 73 :
Daher ist die naturnahe Gewässerentwicklung in der Fläche - insbesondere auch im Bereich der Oberläufe und in den

Hochwasserentstehungsgebieten -  in Form sinnvoller hydromorphologischer Maßnahmen eine besonders nachhaltige Form der Hochwasservorsorge. Die sich hieraus ergebenden Möglichkeiten sind bei weitem nicht ausgeschöpft:
•    Pflanzung naturraumtypischer, bachbegleitender Erlen-Eschen-Wälder an kleinen Fließgewässern in den oberen Einzugsgebieten, insbesondere in Starkregenrisikogebieten
•    morphologische Maßnahmen zur Erhöhung der Gerinnerauhigkeit mit dem Ziel einer zeitlichen Streckung der Hochwasserwelle (z. B. Totholzeinbau, Kieszugaben, Reaktivierung von Nebengerinnen)
•     Deichrückverlegungen ......
•     Umsetzung geeigneter Maßnahmen zur entscheidenden Minimierung der Sohlerosion in den Gewässern (Geschiebemanagement, Schlitzung von unterhaltungs- und ausbaubedingten Uferrehnen)

19. Sind durch den Bau der Hochwasserrückhaltebecken   streng geschützte Arten betroffen ?
Antwort der Landesregierung Ja.
Kommentar der Bürgerinitiative
Die im Wirkraum vorkommenden streng geschützten Arten können durch die oben genannten Maßnahmen nicht gerettet bzw. geschützt werden. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen fern ab der jetzigen Lebensräume nützen den hoch spezialisierten Arten im Wirkraum nichts. Eine Initialisierung von FFH-
Lebensraumtypen im betroffenen Naturraum nach den Baumaßnahmen ist nicht möglich, da der Bau und die zukünftigen Überstauungen einen anderen Lebensraum schaffen. FFH-Lebensräume, wie sie derzeit im Selketal vorhanden sind, kann man nicht ersetzen und auch nicht ausgleichen.
20. Sind beim Bau der Hochwasserrückhaltebecken weitere sekundäre Baumaßnahmen geplant ?
Antwort der Landesregierung Es sind keine weiteren sekundären Baumaßnahmen vorgesehen.
Kommentar der Bürgerinitiative
Bei der Antwort 15 wird schon auf die bisher offenbar ungeklärte Frage der Materialbeschaffung und des Transports hingewiesen.
Der geplante Uferausbau in den Orten und die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind vorzusehen und werden sicher zusätzliches Geld kosten.
21. Welche positiven und negativen Einflüsse haben die Baumaßnahmen und deren Folgen auf die Infrastruktur der Städte Falkenstein und Harzgerode, den Tourismus und die Betriebe des Hotel- und Gaststättengewerbes in unmittelbarer Nähe der Baustelle und darüber hinaus im ganzen Selketal und wie sollen die negativen Einflüsse ausgeglichen werden ?
Antwort der Landesregierung
Negative Einflüsse des Vorhabens auf Infrastruktur, Tourismus sowie Hotel- und Gaststättengewerbe in der Umgebung bzw. den betreffenden Ortschaften sind nicht zu erwarten. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass reges Interesse seitens
der Bevölkerung und bei Gästen an Baumaßnahmen an Talsperren (z. B. an der Rappbodetalsperre) besteht. Dies hat auch den Tourismus sowie das Hotel- und Gaststättengewerbe in der Umgebung positiv beeinflusst.
Kommentar der Bürgerinitiative
Die zu erwartenden negativen Einflüsse sind: Der Damm des HRB riegelt das Tal optisch und faktisch für die Wanderer ab; der im Anstaubereich des HRB liegende Wald wird unmittelbar hinter dem Damm in einer Länge von ca. 2,5 km und einer Höhe von ca. 15 m komplett verschwinden und das Gesamtbild des jetzigen Tals vollkommen verändern.
Nach einem Hochwasser wird der zurückbleibende Schlamm das Tal unpassierbar machen. Die Veränderung des Mikroklimas zerstört die schützenswerten Biotope.
Selbst Befürwortern des HRB im Selketal wird diese Tatsache jetzt erst langsam bewusst und regt zum Nachdenken über die Auswirkungen des Baus dieses HRB an. Wer das HRB Meisdorf mit der Rappbode-Talsperre vergleicht, der vergisst, dass diese Talsperre eine vollkommen andere Nutzung - Trinkwasserreservoir - hat und ständig mit Wasser gefüllt ist.
Im Gegensatz zur Landesregierung befürchten die Hotels und Gastwirte das Schlimmste.