HOCHWASSERSCHUTZ CONTRA NATURSCHUTZ?
Klaus George – Geschäftsführer
des Regionalverbandes Harz e.V.
Vortrag – gehalten auf der Selketalkonferenz
am 31. Aug. 2002 in Meisdorf
Hochwasserschutz und Naturschutz dienen dem Wohl der Allgemeinheit. Meistens
waren und sind aber im Binnenland besonders artenreiche und landschaftlich
reizvolle Tallandschaften und Auen betroffen, wenn es darum ging bzw. geht,
technische Lösungen für den Hochwasserschutz zu realisieren. In der Abwägung der
beiden Belange untereinander und gegeneinander unterlag leider oftmals der
Naturschutz. Das Schutzgut Mensch: Leben, Gesundheit und Sachgüter der
Unterlieger eines Fließgewässers sind im Zweifel schwerer zu gewichten. Soweit
so gut, aber wurden auch immer alle Alternativen ausreichend geprüft? Dieser
Frage wird sich die am 31. August 2002 um 9.30 Uhr beginnende Selketalkonferenz
widmen (vgl. DER HARZ 4/2002). Die Veranstalter Förderverein Umwelthaus
Magdeburg e. V., Naturschutzbund Deutschland (NABU) und Regionalverband Harz e.
V. erwarten dazu hochrangige Gäste, unter Ihnen Petra WERNICKE, Ministerin für
Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt, Staatssekretär Wolfgang
BÖHM, Staatssekretär Ulrich KÖHLER als Vorsitzender des Fördervereins Umwelthaus
und den Landrat des Landkreises Aschersleben-Staßfurt, Herrn Thomas LEIMBACH.
Zur Bedeutung des Harzes im Schutzgebietssystem Deutschlands wird Dr. Lebrecht
JESCHKE, Mitbegründer des Nationalparkprogramms, sprechen. Herr Edmund WERNER,
Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt, wird die
angedachten Lösungsmöglichkeiten erläutern.
Hoffnung und Zuversicht der Naturschützer, die Belange des Hochwasserschutzes
und des Naturschutzes im Flussgebietssystem der Selke in Übereinstimmung bringen
zu können, begründen sich neben der FFH-Richtlinie (RL 92/43/EWG) und der
Wasserrahmenrichtlinie (RL 2000/60/EG) vor allem in der Erfahrung, dass die
ökonomischsten (preiswertesten) Lösungen meist auch die ökologisch
verträglichsten Varianten sind. Dabei kann man im Fall der Selke auf durch die
historische Bergbaunutzung entstandene Teichanlagen im Gebiet des Oberlaufes
zurückgreifen. Deren Umbau, Modernisierung und verändertes Management allein
wird möglicherweise jedoch nicht reichen, ein Hochwasserereignis wie im Frühjahr
1994 vollständig zu beherrschen. Es sind also auch Überlegungen anzustellen, wie
das Wasser länger in der Fläche gehalten werden kann. Viele Wiesen im
Quellgebiet bzw. in den Seitentälern der Selke im Landkreis Quedlinburg sind
melioriert; Sauger und Sammler führen das Wasser schnell in begradigte Bäche und
somit sehr schnell in die Selke! Muss das noch sein? Die überwiegend
funktionstüchtigen Meliorationsanlagen stammen aus Zeiten, als die
Landwirtschaft auch im Unterharz intensiviert wurde, um den Nachwuchs für die
milchproduzierenden Betriebe des Vorharzes aufzuziehen. Inzwischen sind jedoch
die Tierbestände drastisch gesunken. Die gestiegene Milchleistung erlaubt
geringere Kuhbestände, und die meisten Landwirte sind dazu übergegangen, ihre
Färsen selbst aufzuziehen. So konnte die Nutzung des Grünlandes im Harz
extensiviert werden; Förderung im Rahmen des Vertragsnaturschutzes ist oft noch
der entscheidende Grund, warum nicht lokal sogar die landwirtschaftliche Nutzung
bereits eingestellt wurde. Im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen konnte deshalb in
einem Seitental der Selke, dem Elbingstal bei Güntersberge, mit der
Renaturierung begonnen werden. Der begradigte Bach, der sich bei dem
Frühjahrshochwasser 1994 tief in den Untergrund eingeschnitten hatte, erhielt
einen mäandrierenden Verlauf. Die Dränage der Talwiese wurde dabei zerstört.
Möglich wurde die Renaturierung, nachdem das benötigte Grundstück im
Naturschutzgebiet zuvor im Wege des Vorkaufsrechtes nach § 40 Naturschutzgesetz
vom Land Sachsen-Anhalt erworben wurde. Die zur Durchführung von
Ausgleichsmaßnahmen Verpflichtete vergab den Bauauftrag an ein Unternehmen in
der Region. Die Fließgewässerstrecke wurde um ein Drittel verlängert, der
Talgrund kann ohne funktionierende Dränage wieder als Schwamm fungieren. Und der
besondere Vorzug: Dieses System funktioniert im Ernstfall sogar ohne behördliche
Entscheidung!
Könnte man diesem Beispiel im Sinne einer vorbeugenden bzw. ergänzenden
Hochwasserschutzmaßnahme nicht folgen? Suchen wir nicht auch nach neuen
Maßnahmen, die im Rahmen der Modulation aus der sogenannten Zweiten Säule der
Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union gefördert werden können? Und
bietet sich die Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der Agrarstruktur und des
Küstenschutzes hier nicht klassisch zur Co-Finanzierung an? Verdienen könnten
daran Ingenieure, die die Planungen erstellen und mittelständige Unternehmen der
Region Harz, die die Bauausführung übernehmen. Die Erschwernis für die
Landwirte, die längere Strecken Weidezäune bauen müssen, ließe sich,
vergleichbar einer Beschränkung der Düngung, über eine neue Agrarumweltmaßnahme
ausgleichen, und auch die Natur würde zu den Gewinnern gehören.
Haben Sie zu diesem gesamten Themenkomplex um das Selketal und die notwendigen
Hochwasserschutzmaßnahmen eine Meinung, die Sie wichtigen Entscheidungsträgern
mitteilen wollen, oder sind Sie an der aktuellen Diskussion interessiert? Wenn
Sie zu den von Hochwasserereignissen Betroffenen gehören oder sich für den
Schutz der harzer Natur um ihrer selbst Willen oder als Standortfaktor für den
Tourismus einsetzen wollen – kommen Sie am 31. August zur öffentlichen
Selketalkonferenz ins Schützenhaus Meisdorf. Sie sind herzlich willkommen!
Weitere Auskünfte erhalten Sie vom Regionalverband Harz e. V. unter
03946-964143.
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