Chronik     und     Dokumente    -    Brief der BI an den zeitweiligen Ausschuß des Landtages

Am 21. Sept. 2004 fand in der Thalmühle eine Anhörung
vor dem zeitweiligen Ausschuß Hochwasser des Umweltausschusses
des Landtages Sachsen-Anhalt statt.

Parallel zu unserem mündlichen Vortrag übergaben wir dem Ausschuß-Vorsitzenden diesen Brief:

Sehr geehrter Herr Madl, sehr geehrte Damen und Herren des Ausschusses !

Die Bürgerinitiative NATURNAHER HOCHWASSERSCHUTZ SELKE möchte sich bei Ihnen bedanken, daß wir die Gelegenheit haben, unsere Position zum Hochwasseraktionsplan Selke vom 24. März 2003 bei der heutigen Anhörung vortragen zu können.

Nach unserer Kenntnis hat das Land nach dem Hochwasser 1994 bis zum Jahr 2000 gebraucht, um ein Konzept für Hochwasserschutz in Auftrag zu geben. Dabei wurde einseitig ein Schutz vor einem HQ 100 gefordert, ohne die Auswirkungen auf andere Belange – z.B. den Tourismus und den Naturschutz - zu berücksichtigen. Dem entsprechend stellte Dresden Dorsch Consult Untersuchungen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes an der Selke in 9 Varianten mit Untervarianten an. Die aus unserer Sicht wichtigsten davon sind:
Var. III - Hochwasserrückhaltebecken (HRB) Straßberg und Meisdorf - bringen allen Orten eine Absenkung der Hochwassergefahr auf ein Hochwasser, das dem bisherigen höchstens HQ 5 entspricht. (S. 35)
Var. VI – nur HRB Straßberg - bringt allen Orten eine Absenkung der Hochwassergefahr auf ein Hochwasser, das dem bisherigen höchstens HQ 45 entspricht. (S. 35)

Die Studie kommt bei der Summe aller betrachteten Maßnahmen zu dem Ergebnis, daß nur die Variante III (Vorzugsvariante) die geforderten Bedingungen erfüllt und am kostengünstigsten sei, schränkt aber ein : "Die (in Tabelle 5 – Ergebnisse der Kostenschätzung für die HRB – S. 15) genannten Kosten sind Vergleichskosten; sie entsprechen nicht den Investitionskosten, da Kosten für Planungsleistungen, Grunderwerb, Folgekosten und Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht enthalten sind".

   Da diese Kosten bei jeder Variante erheblich abweichen und für das HRB Meisdorf sicher am größten wären, ist der Kostenvergleich irrelevant.

Die Studie untermauert ihr Ergebnis u.a. mit folgender Aussage : "Hinsichtlich der Art des Hochwasserschutzes wurde die am umweltverträglichsten und den örtlichen Verhältnissen am besten angepaßt erscheinende Lösung ausgewählt."

   Für beide Aspekte dieser Aussage sind keinerlei Nachweise erbracht worden.

In Übereinstimmung mit dem NABU und der DeHoGa sind wir der Meinung, daß der Bau eines Hochwasser-Rückhaltebeckens bei Meisdorf (Var. III) in vieler Hinsicht die schlechteste Lösung darstellt.

    Er zerstört die Natur schon durch seine Existenz.
Das Kleinklima im Selketal ändert sich durch eine Kaltluftbarriere, wertvolle Tier- und Pflanzenarten sterben aus, die ökologische Durchgängigkeit des Flusses ist nicht mehr gegeben.
    Er zerstört die Natur besonders bei Hochwasser.
Zu hoher Nähr- und Schadstoffeintrag führen zu einer ökologischen Wüste.
     Er schädigt den touristischen Wert des Selketals.
Der Zugang aus der Richtung Meisdorf wird verbaut. Abholzungen auf der Talfläche werden notwendig. Auf der Überschwemmungsfläche werden Müll, Geröll und Schlamm liegen bleiben.
     Er bietet nur begrenzten Hochwasserschutz.
Bei sehr starkem Hochwasser ist das Becken bereits nach ca. 5 ½ Stunden voll, anschließend wird es überlaufen.

Der Hochwasseraktionsplan Selke empfiehlt den Bau des HRB Straßberg und die Realisierbarkeitsprüfung für das HRB Meisdorf.
Wir haben die Hoffnung, daß die Prüfung einen Verzicht auf das HRB Meisdorf ergibt.

Unsere Argumente haben wir schon mehrfach vorgebracht, zuletzt mit Schreiben an das MLU vom 24.5.04. In der Antwort vom 29.6.04 stand u.a. : "Jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden, kann Einwendungen erheben, die dann einer eingehenden Prüfung unterzogen werden.

Das Ergebnis des Genehmigungsverfahrens ist offen."

Wenn folgende Maßnahmen konsequent realisiert werden,
  * Ausbau und entsprechende Bewirtschaftung der Harzteiche,
  * keine Baumaßnahmen oder Rückbau in hochwassergefährdeten Gebieten sowie Bau- und
        Nutzungsvorschriften für gefährdete Objekte,
  * Hochwasserwarndienst und detaillierte Einsatzpläne,
  * Bau von geplanten Überschwemmungs- (Retentions-)flächen und Umflutmulden,
  * lokale Eindeichung von Einzelobjekten,
  * äußere und innere Schutzvorkehrungen bei Einzelobjekten (Dichtung der Kelleröffnungen)
         und Bereitstellung von Materialien zur Sicherung von Objekten (z.B. das
         Hochwasserschutz-System Aqua Barrier, das auch flexibel einsetzbar ist.),
  * wenn erforderlich, Bau des Hochwasserrückhaltebeckens im NSG bei Straßberg.
muß u.E. ein HRB Meisdorf nicht gebaut werden. Die Bürger haben trotzdem ausreichenden Schutz vor Hochwasser in der Selkeaue, weil es genügend Alternativen gibt und die Beeinträchtigung des NSG Selketal einen schweren, nicht kompensierbaren Schaden darstellt. Dabei sollten die Erfahrungen und die Unterstützung der Hochwasserschutz-Zentrale Köln genutzt werden.

Bei der Prüfung der Realisierbarkeit des HRB Meisdorf sollten auch folgende Fakten berücksichtigt werden :
1. Der Geopark in Gatersleben sollte nicht im Überschwemmungsgebiet (1994) oder aber mit lokalem Hochwasserschutz gebaut werden.
2. Bei der Planung der Bauausführung besteht die Gefahr, daß die Massen für den Bau des HRB Meisdorf vom NSG Friedrichshohenberg verwendet werden und damit dieses NSG zerstört wird.
3. Bei dem Hochwasser 1994 wurde in Meisdorf nur ein einziges Haus zerstört, aber nicht von der Selke, sondern vom Petersberger Bach.

Wir als Bürgerinitiative standen und stehen für Informationen der Bevölkerung über geplante Maßnahmen, Auswirkungen und Risiken jederzeit zur Verfügung. Dabei wären Karten mit eingetragenen Hochwasserständen (HQ 50, HQ 100) sehr hilfreich, die wir schon mehrfach vom MLU erbeten haben. Wir können Alternativen nur anregen und aufzeigen. Daher bitten wir den Ausschuß und den Landtag, das MLU zu veranlassen, alle Alternativen zu prüfen, zu bemessen und zu bewerten.

Erst nach Fertigstellung des HRB Straßberg und Bewertung aller Alternativen sollte eine Entscheidung zum HRB Meisdorf vorbereitet werden.

Mit freundlichem Gruß
Kühne - 1. Sprecher


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