Chronik     und     Dokumente

Selke-Dialog

1. Runder Tisch am 6. Sept 2017

TOP 4.2     Identifizierung / Sammlung der zu klärenden Sachfragen, Alternativen
                und Varianten

 Vortrag der Bürgerinitiative Naturnaher Hochwasserschutz Selke [BI NatnHWS]
Detlef Mahlo

 Langfassung als Anlage zur Niederschrift         (Der Vortrag wurde gekürzt mündlich vorgetragen.)

 Der Konflikt, um dessen Beilegung wir uns hier bemühen, besteht nicht zwischen drei Bürgerinitiativen und auch nicht zwischen dem Ministerium [MULE], dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft [LHW] und der BI NatnHWS. Sondern er betrifft grundsätzlich unterschiedliche Rechtslagen beim Hochwasserschutz [HWS] und beim Naturschutz [NatSch]. Deshalb sollten nach unserer Meinung an diesem Runden Tisch vom Ministerium sowohl das Referat 22 – Hochwasserschutz als auch das Referat 26 – Flächen- und Artenschutz teilnehmen, denn beide sind oft nicht kompatibel :

- Der HWS soll, muß aber nicht den Schutz der Bürger vor einem (durchschnittlich)
                  100-jährigen Hochwasser [HQ100] bieten.
- Der NatSch verbietet Baumaßnahmen in Naturschutzgebieten [NSG], Flora-Fauna-Habitat-
                   Gebieten [FFH] und Vogelschutzgebieten (Special Protection Areas) [SPA] bzw.
                   gestattet sie nur in besonderen Situationen mit Auflagen.

 Deshalb ist der Konflikt so schwer zu lösen. In einem Raumordnungsverfahren, das normalerweise am Beginn eines großen Planungsvorhabens steht, hätten diese Konflikte ausdiskutiert werden können.

 Wir danken der Ministerin Frau Prof. Dr. Dalbert für ihre Initiative, in diesem Konflikt einen Kompromiß zu suchen und uns die Möglichkeit zu geben, unsere Vorstellungen zu Gehör bringen zu können.

 Es ist unbestritten, daß für die Bewohner des Selketals der HWS verbessert werden muß. Gleichzeitig sind wertvollste Naturgüter im Selketal zu schützen und zu pflegen. Beides kann nur im Kompromiß erfolgen.

Dazu muß aber Kompromißbereitschaft aller Seiten vorliegen.

Um diesen Kompromiß bemüht sich unsere BI, seitdem bekannt wurde, daß der Bau der beiden HRB geplant wird.

 (1994)                  Der Ausgangspunkt des Problems ist der 13. April 1994. Es gab schwere materielle Schäden in den Orten entlang der Selke. Es hat aber bei diesem Hochwasser zum Glück keine Personenschäden gegeben. Wir sind daher der Meinung, daß HWS und Natsch gleichwertig betrachtet werden dürfen und damit kompromißfähig sein sollten.

 (2000)        MLU / LHW gaben bei dem Büro Dresden Dorsch Konsult [DDC] eine Studie in Auftrag, die 2000 fertiggestellt wurde.

Es wurden mehrere Varianten untersucht, mit und ohne HRB und der Nutzung der Teiche sowie Baumaßnahmen in den Orten.

 Die Studie kam zu dem Schluß, daß der Bau von Hochwasserrückhaltebecken [HRB] bei Straßberg u Meisdorf begleitet von kleineren Ausbauten in den Orten die kostengünstigste Variante sei.

 Nach Bekanntwerden dieser Studie sahen die im damaligen § 29-Büro zusammengeschlos-senen Naturschutzverbände in dieser Planung eine Gefahr für das Naturschutzgebiet Selke. Es fanden mehrere Gespräche mit dem LHW statt auf der Suche nach einer Einigung.

 (2002 )       In diesen Gesprächen akzeptierte der LHW den Vorschlag :
Das HRB Straßberg wird toleriert, wenn auf das HRB Meisdorf verzichtet wird, allerdings ohne schriftliche Fixierung.

Diesen Kompromiß wollten die Naturschutzverbände eingehen, weil das Selketal oberhalb von Meisdorf zwischen der Selkemühle und der Thalmühle ein ganz besonders schützens-wertes Gebiet ist. Durch den Bau eines HRB bei Meisdorf würde es beeinträchtigt werden bis hin zur Zerstörung wertvoller Biotope. Demgegenüber ist das Areal bei Straßberg sowohl für den Naturschutz als auch für den Tourismus nicht ganz so wichtig.

Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind für uns nicht vorstellbar.

Ein Kompromiß mit einem HRB Meisdorf ist gem. Natsch-Recht ist aus unserer Sicht nicht möglich. Also müssen geeignete andere Objekte gefunden werden.

 Im Dezember 2002 erstellte der LHW den Hochwasseraktionsplan Selke in dem die Ergeb-nisse der DDC-Studie aufgegriffen wurden. Sie zieht daraus die Schlußfolgerung:  „Das Kernstück für den Hochwasserschutz im Selkegebiet ist die Schaffung von Voraussetzungen zum Rückhalt von Wasser durch den Bau der HRB Straßberg und Meisdorf. Die ökonomi-schen und ökologischen Parameter stellen hier ein Optimum dar.  Beide Aspekte waren bis dahin nicht ausreichend untersucht worden – waren also reine Behauptungen.

 (2003)       Eine direkte Ablehnung unseres Kompromißvorschlags erfuhren wir aus der Zeitung. Am 22.02.2003 erschien in der Mitteldeutschen Zeitung ein langer Artikel, in dem Herr Werner, damals Chef des Flußbereichs Halberstadt des LHW zitiert wurde :
 "Ich kann die Verärgerung der Naturschützer verstehen. Es gab in der Tat einen Konsens mit den Paragraph-29-Verbänden."

 (2004)        Im April 2004 hielt der Chef der Hochwasserzentrale Köln Dr. Reinhard Vogt bei uns einen Vortrag, in der er, nachdem er sich mit den Verhältnissen der Selke vertraut gemacht hatte, uns Vorschläge für Alternativen zum HRB Meisdorf aufzeigte. Daraufhin gründeten wir die BI NatnHWS mit dem Ziel, auch ohne das HRB Meisdorf einen entsprechenden HW-Schutz der Bürger mit anderen Objekten zu erreichen und gleichzeitig die wertvolle Natur zu erhalten.

 Jetzt scheint es mit dem Selkeforum möglich zu sein, einen solchen Kompromiß zu finden.

Für die Suche nach einem Kompromiß ist es hilfreich, daß das PlfstV für das HRB Straßberg und die Planung für die Annenbrücke gestoppt sind. Weiterhin erforderlich ist die Außerkraft-setzung der Hochwasserschutzkonzeption hinsichtlich des HRB Meisdorf.

 Es ist zu diskutieren, ob eine Einigung über das Gesamtkonzept des Hochwasserschutzes im Selketal oder ob eine Einigung über Einzelobjekte als "kleinster gemeinsamer Nenner" angestrebt werden sollte, wie es schon bei der Kanalisierung der Selke in Gatersleben praktiziert wurde.

Bei einem Kompromiß kann es nicht um Alles oder Nichts gehen.

 Wir bieten unsere Vorschläge zur Diskussion an, in der Hoffnung, daß sie die Grundlage einer Einigung bilden. Wir haben auch schon in Gesprächen, Briefwechsel mit MLU und LHW, öffentlichen Veranstaltungen, Presseartikeln, Info-Broschüren, Aktionstagen und der Internetseite www.rettet-das-selketal.de für sie geworben.
Dabei haben wir berücksichtigt, daß die ganze Selke, auch innerhalb der Orte FFH-Gebiet ist. Auch die von uns vorgeschlagenen Objekte liegen überwiegend im Bereich der geschützten Natur. Sie beeinträchtigen diese aber weniger, so daß sie selbst schon einen Kompromiß zwischen HWS und NatSch darstellen. Aber in ihrer Gesamtheit sind sie geeignet, für die Bewohner des Selketals etwa ein HQ100 zu erbringen.

 Man kann den HWS grob einteilen in bautechnischen, ökologischen, mobilen und individuellen HWS.

 Hier geht es vorrangig um den bautechnischen HWS.

 Die anderen Aspekte des HWS sind auch wichtig und verdienen eine nähere Betrachtung, sind aber in dieser Diskussion nicht relevant.

 Der ökologische HWS bemüht sich, dem Fluß freien Raum geben. Das ist aber hier kaum möglich und erforderlich, weil die Selke als weitgehend unverbauter Fluß keinen "Rückbau" braucht. Dieser Zustand ist wertvolle Natur und deshalb schützenswert. So ist z.B. die Selkeaue zwischen dem 4. Hammer und der Thalmühle eine natürliche Retentionsfläche.

Nur zwischen Hoym und Gatersleben sollte die Selke renaturiert werden.

 Der mobile HWS gewinnt mit dem häufiger, lokal und unvermittelt auftretenden Starkregen immer mehr Bedeutung.

 Der individuelle HWS sollte mit einem allgemeinen und bezahlbaren Versicherungsschutz gefördert und gefordert werden.

 Von Anfang an haben wir die Begutachtung unserer Vorschläge durch das LHW gefordert bzw. darum gebeten. Einen ersten Ansatz dazu gibt es neuerdings; zu den Objekten HRB Uhlenbach, Lange Wiese und Ermsleben hat Herr Henning eine Begutachtung zugesagt.

 In der mir zur Verfügung stehenden Redezeit und wegen des Umfangs unserer Vorschläge ist es heute nur möglich, sie hier aufzuzählen.

 

HRB Katzsohlbach

 

HRB Sauerbach

 

Mühlteich Güntersberge

 

HRB Ermsleben

 

HRB Straßberg

 

Umflutmulde Reinstedt

 

Teiche

 

HRB Getel

 

HRB Uhlenbach

 

HRB B6

 

HRB Meisdorf

 

Umflutmulde Gatersleben

 

HRB Lange Wiese

 

 

Erläutern will ich hier nur einen Überblick zu den HRB Meisdorf und Lange Wiese. Details dazu und die anderen Objekte gebe ich als Anlage in die Niederschrift der heutigen Beratung, damit sie im Laufe der weiteren Gespräche erörtert werden können.

 HRB Katzsohlbach

Damm oberhalb des kleinen Teiches. Obwohl nicht im NSG ist seine Inanspruch­nahme für die Natur ein großer Verlust. Dieses HRB ist erforderlich, wenn die Vergrößerung des Mühlteiches für den Schutz Güntersberges nicht ausreicht.

 Mühlteich Güntersberge

Mit dem Neubau der Straßenbrücke am Ortsausgang Güntersberge – Armborst – wurde der Hochwasserschutz verbessert. (siehe: "Das neue Bauwerk ist so konzipiert, dass im Fall eines extremen Hochwassers, wie es statistisch nur alle 100 Jahre auf­tritt, zwischen Wasseroberfläche und Brückenunterkante noch 50 cm Platz wären."  MZ QLB v. 20.05.2016: Neue Brücke über die Selke wächst. )

Darüber hinaus steht der Mühlteich, auch Bergsee genannt, für den Hochwasser­schutz zur Verfügung. Er wird touristisch genutzt und hat z.Z. einen privaten Päch­ter. Seine 12 m breite Dammkrone lässt sich ohne große Schwierigkeiten um ca. 1 m erhöhen, so dass ohne Beeinträchtigung der Schmalspurbahn oder der touristischen Nutzung eine Erhöhung des Rückhaltevolumens erreichbar ist.

 Bei dem Hochwasser im April 1994 gab es in Straßberg, der Rinkemühle (Silberhütte) und Alexisbad große Zerstörungen, die auf die mit großer Wucht ankommenden Wassermassen zurückzuführen sind. Diese könnten von der vermuteten Öffnung der Schütze des Mühlteichs Güntersberge und dem Dammbruch nach einem Rückstau an der Selkebrücke der Harzer Schmalspurbahn oberhalb von Straßberg verursacht worden sein, wie zahlreiche Anwohner mündlich berichteten.

 Weiterhin ist festzustellen, dass die betreffende Eisenbahnbrücke ohne jede Verän­derung wiederhergestellt wurde. Bei einem Überlaufen des geplanten Rückhalte­beckens – z.B. durch zwei aufeinanderfolgende Starkregen – bestünde wieder die Gefahr eines Rückstaus mit Dammbruch an dieser Stelle.
Diese Ereignisse sind unseres Wissens nicht in die hydrologische Modellierung der Selke bzw. die Analyse des Hochwassers 1994 eingeflossen. Sie sind nicht durch Überschwemmung aus stetigem Regen – der Vb - Wetterlage - sondern nur durch ein plötzlich eingetretenes – oben geschildertes - Ereignis erklärlich.

Wir nehmen an, dass sonst die Auswirkungen des Hochwassers für den gesamten Bereich der Selke als geringer eingeschätzt worden wären.

 HRB Straßberg

Wie schon zuvor ausgeführt, wollten die Naturschutzverbände das HRB Straßberg bei Verzicht auf das  HRB Meisdorf tolerieren. Diese Bedingung bestand bei der Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens für das HRB Straßberg nicht mehr. Unsere Einwen­dungen gegen das Planfeststellungsverfahren vom 26. Mai 2014 an das Landesver­waltungsamt können unter dem Motto "Straßberg ja, aber nicht so !" zusammen­gefaßt werden.

Einige Punkte aus unserer Stellungnahme  möchten wir hier erläutern.

 a)       Trotz nachdrücklicher Forderungen der Naturschutzverbände wurde dem Vorhaben kein Raumordnungsverfahren vorgeschaltet. In diesem hätten die Belange des Natur- und Umweltschutzes und der Tourismuswirtschaft berücksichtigt werden müssen.

 b)       Außerdem wäre eine Darstellung des Hochwasserschutzes für die gesamte Selke bis zu dessen Auswirkungen auf Bode und Saale vorzulegen gewesen, damit die Auswirkungen aller Maßnahmen auf das ganze Fluss-System beurteilt werden kön­nen. Die Ausführungen in der Studie von Dresden Dorsch Consult (vom 31. Mai 1999 und Ergänzung vom 30. Nov. 2000) erfüllen das nicht.

 c)       Da naturschutzfachlichen Kriterien grundsätzlich eine höhere Bedeutung zukommt als technischen / wirtschaftlichen, ist den Alternativen in der Reihenfolge ihrer naturschutzfachlichen Kriterien ohne Zweifel der Vorzug zu geben. Stattdessen wurde die Alternative X gewählt, die die 8-schlechtesten naturschutzfachlichen Kri­terien aufweist. Ein Nachweis, dass einige der alternativen Kosten, die ein vernünf­tiges oder zumutbares Maß übersteigen, ist in der Planung nicht geführt worden. Es ist davon auszugehen, dass alle untersuchten Alternativen auch prinzipiell realisier­bar sind.

 Im Planfeststellungsverfahren Heft 7.2: FFH-Verträglichkeitsstudie  Ziff. 8.1.1 Beschreibung der Standortalternativen Seite 72 Tabelle 13 wurden 10 untersuchte Standortalternativen aufgelistet.

 d)       Die Alternative Nr. VI – Ausbau der Ortslagen, Bewirtschaftungsänderungen Mühlteich, Teufelsteich, Fürstenteich, Kiliansteich, Frankenteich, Neubau HRB Straß­berg (allerdings Variante II) – können wir mit den genannten Einwänden tolerieren. Allerdings zweifeln wir die Größe des Rückhaltebeckens und damit des Dammes an, weil das Einzugsgebiet lediglich 46 km² beträgt. Bei einem niedrigeren Damm wäre die Durchquerung der Selketalbahn wesentlich einfacher und kostengünstiger zu gestalten.

 e)       Die vorgesehene Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme – die Renaturierung der Selke zwischen Hoym und Gatersleben ist zwar für sich gesehen eine wünschens­werte Maßnahme, aber als Ersatz für die beschädigte Natur im oberen Teil der Selke - ungeeignet und unzureichend, weil z.B. Groppe und Bachneuauge sauberes, kaltes, sauerstoffreiches und schnellfließendes Wasser brauchen. Das Waser unterhalb von Hoym bietet für diese Arten keinen Lebensraum.

Ein Ausgleich für die Zerstörung der Natur auf der Fläche des Rückhaltebeckens ist nicht vorgesehen.

 Zitate:
„Das Kernstück für den Hochwasserschutz im Selkegebiet ist die Schaffung von Vorausset­zungen zum Rückhalt von Wasser durch den Bau der HRB Straßberg und Meisdorf. Die ökono­mischen und ökologischen Parameter stellen hier ein Optimum dar.“  
HW-Aktionsplan LSA 2002
Aufwand und Nutzen rein materiell:
„Allgemein gilt, dass die Schadenssummen der Hochwasserereignisse 1994 an Wipper und Selke die Baukosten für die HRB im Harz um ein Vielfaches übersteigen.“  HWSK 2020 S.81

Schäden 1994 gem. HW Aktionsplan 2002              53,5 Mio DM =             26,8 Mio €
geplante Baukosten gem. HWSK 2020
                     für Straßberg und Meisdorf zusammen                                  32,5 Mio €

Die Planungsdauer liegt im üblichen Rahmen solcher Verfahren und wurde von niemandem beeinflusst (siehe HRB Wippra). Die Ankündigung des Abschlusses der Planung war verfrüht.


(Vergleich der Baukosten mit HRB in Sachsen z.B. Pöbeltal             K/V= 20    €/m³
                                 Meisdorf und Straßberg                                   K/V=  4,90 €/m³
Das heißt, die Baukosten werden sicher für die HRB weit höher liegen.

 Teiche

Von unseren Vorfahren wurden im Einzugsbereich der Selke 28 Teiche angelegt, die damals hauptsächlich der Energiegewinnung dienten. Von diesen sind der Mühl-, Franken-, Kilians-, Teufels- und Fürstenteich in 8 der untersuchten Standortvarian­ten für den HWS vorgesehen. Deshalb sollte ihr normaler Wasserstand vor einem in den Vorhersagen angekündigten Unwetter - mindestens aber ab Herbst – bis zu einem der Flora und Fauna der Teiche verträglichen Maß unter dem Stauziel liegen, um immer ein Volumen für einen plötzlichen Starkregen bieten zu können. Der Mali­niusteich bildet den Abfluss aus Franken- und Kiliansteich und muss dafür ertüchtigt werden. Auch die Harzgeröder Teiche sind in den HWS einzubeziehen. Damit bieten die Teiche einen wesentlichen Schutz für die Bewohner des Selketals.

 Ein Ausbau dieser Teiche würde nur einen geringen weiteren Effekt bringen, weil ihr Einzugsgebiet sehr klein ist. Da die Harzteiche wichtige ökologische Funktionen erfüllen, steht eine komplette Inanspruchnahme für den Hochwasserrückhalt über­haupt nicht zur Debatte. Trotzdem sind sie für den Hochwasserschutz unverzichtbar.

 HRB Uhlenbach

Das Uhlenbachtal hat ein Niederschlags-Einzugsgebiet von ca. 19 km².

Unabhängig vom HRB Straßberg bedrohen dessen Wassermassen die Infrastruktur in Silberhütte, Alexisbad, Drathzug und unterhalb von Mägdesprung. Deshalb ist hier ein zusätzliches HRB erforderlich.

 Mit einem Damm unmittelbar oberhalb der dort befindlichen Kläranlage für Gruben­abwässer und einem Aufstau bis zur Querung der B 242 läßt sich ein sehr effektives Rückhaltebecken bauen. Probleme mit vorhanden früheren Berganlagen (z.B. alte Stollen) sind offensichtlich nicht relevant, da in den Variantenvergleichen der Ausle­gungsunterlagen das Uhlenbachtal als möglicher Standort eines Rückhaltebeckens genannt wird. Es würde auch die Grubenwasser-Kläranlage schützen und sich erheblich auf die Entschärfung der Situation im Ort Meisdorf auswirkten.

Da das Uhlenbachtal NSG und FFH-Gebiet ist, wäre dieses HRB nur als Kompromiß für den Verzicht auf das HRB Meisdorf akzeptabel. Für den Tourismus ist diese Tal von sehr geringer Relevanz.

 HRB Meisdorf 

Den Bau des HRB Meisdorf lehnen wir aus folgenden Gründen ab :

Das HRB Meisdorf soll in mehrfach geschütztem Naturraum errichtet werden (FFH-Gebiet, NSG, europäisches Vogelschutzgebiet, LSG und Naturpark) und würde diesen schwer beeinträchtigen und teilweise vernichten, mehr als alle anderen vorgesehe­nen Maßnahmen. Wir verweisen dazu auf das Schreiben des Bundesamtes für Natur­schutz. (Anlage)

Naturschutz-Status
der technischen HWS-Objekte

NSG

FFH

SPA

LSG

NUP

Selke

Mühlteich Güntersberge - Dammerhöhung

x

 -

x

x

HRB Straßberg – ja, aber nicht so !

x

x

 -

x

x

x

HRB Uhlenbach -

x

x

x

x

-

Harzteiche -

x

x

x

-

HRB Meisdorf – nicht nur die Selke selbst, sondern die ganze
               Talaue und die Berghänge sind geschützte Biotope

xx

xx

x

x

x

x

HRB Lange Wiese Meisdorf - Annenbrücke

xx

x

x

x

x

Kanalisierung Meisdorf

x

x

x

-

HRB Ermsleben

x

x

x

-

Umflutmulde Reinstedt

HRB Getel

 -

 -

Brücke B6n

x

 -

 -

 -

Umflutmulde Gatersleben

 -

 -

 -

 -

HRB Sauerbach

x

x

-

SPA =   Special Protection Areas = Vogelschutzgebiete                      Selke = Selketalstieg

 Außerdem würde die auf naturnahen Tourismus eingestellte Gastronomie im Tal in der Bauphase zum Erliegen kommen und danach seinen wichtigsten Anreiz – die unzerstörte Natur und die leichte Zugänglichkeit – verlieren.

 Mit den HRB Straßberg, Uhlenbach und Lange Wiese, der Nutzung der Teiche sowie lokalen Baumaßnahmen in Meisdorf wird dort eine bedeutende Reduzierung des Hochwassers erreicht.

 Für Meisdorf sieht die Studie von DDC vom 31. Mai 1999 Seiten 90 bis 92 folgende Maßnahmen vor:

"Für die Varianten III und IV sind auf Grund des Hochwasserrückhalts und der Kappung des Scheiteldurchflusses keine örtlichen Schutzmaßnahmen erforderlich. Das bordvolle Abflußvermögen in der Ortslage liegt bei etwa 30 m³/s, wobei lokal begrenzte Ausuferungen bereits bei 20 m³/s auftreten.

Um Abflüsse von 85 m³/s bzw. 60 m³/s schadarm abführen zu können, müssen umfangreiche Maßnahmen ergriffen werden. Primär sollte das feste Wehr Meisdorf durch ein im Hochwasserfall absenkbares bewegliches Wehr ersetzt werden. Dadurch kann der entstehende Aufstau wesentlich vermindert werden. Ergänzend wird ein Rückbau der Sohlschwelle am km 27,58 vorgesehen. Auf Grund der durch­geführten Mühlgrabenverfüllung ist die ursprüngliche Funktion des Wehrs nicht mehr gegeben; ein Rückbau wird auch im Fließgewässerprogramm empfohlen.

Lokale Überschwemmungen von Wiesen und Gärten werden für das untersuchte HQ 100 zugelassen.

 Örtliche Hochwasserschutzmaßnahmen – Variante II " - (= kein HRB Meisdorf)

Station [km]

Maßnahme

Bemerkungen

25,90 bis 28,40

Flussausbau und Erweiterung des Abflussprofils, Sohlregulierung/-beräumung und Instandsetzung des Abflussprofils, ggf. örtliche Uferaufhöhung, l=2.500 m

Rückstausicherung für Zufluss am km 28,3 * erforderlich

26,62

Abriss des festen Wehrs, Neubau eines beweglichen Wehrs, Sohlregulierung oberhalb

 

27,58

Rückbau Sohlschwelle

 

26,80 bis 27,40

Neubau Deich links, l= 600 m

lokale Ausuferung am rechten Ufer zulassen

* = An dieser Stelle fließt der Petersberger Bach in die Selke. Es ist also wohl gemeint, dass hier ein kleines HRB zu bauen sei. Mit einem Einzugsgebiet von ca. 1,9 km² hat diese Rückstausicherung aber nur eine kleine Schutzwirkung.

 Zusätzlich sollte auf der Langen Wiese vor Meisdorf ein weiterer Rückhalt gebaut werden, indem vor der Brücke ein Wehr gebaut und die Straße L 173 über einen Damm geführt wird.

 Diese Maßnahmen sind insgesamt wesentlich geringer, sowohl ökologisch und öko­nomisch umfangärmer, als der Bau des HRB und sie sind gut geeignet, einen ausrei­chenden Hochwasserschutz für Meisdorf zu bieten.

 Daher ist der Bau eines HRB bei Meisdorf nicht gerechtfertigt und wir empfehlen den Stop der laufenden Planung.

 Das Einzugsgebiet der Selke beträgt ca. 470 km². Davon befinden sich ca. 60 % unterhalb des geplanten HRB Meisdorf. Es ist einleuchtend, dass die auf 280 km² niedergehenden Starkregen ebenfalls zu Schäden führen werden, denen mit geeigne­ten Maßnahmen begegnet werden muss.

 HRB Lange Wiese

Weil ein Neubau einer Brücke über die Selke oberhalb von Meisdorf - der Annenbrücke - in nächster Zeit erforderlich ist, und sich hiermit gleichzeitig der Bau eines HRB in Verbindung mit einer über den Damm geführten Straße anbietet, rückt dieses Objekt in den Vordergrund.

Ein Damm im Bereich der bisherigen – das Tal durchquerenden Straße könnte ein Rückhaltebecken, das bis zum Pegel Meisdorf reicht, ca. 350 000 m³ aufnehmen.

Zusammen mit den in der Studie von DDC für die Variante II (mit HRB Straßberg, ohne Meisdorf) vorgesehenen Maßnahmen ist Meisdorf ausreichend gegen Hochwasser geschützt :HRB Sauerbach

Einzugsgebiet Ballenstedt 10,7 km²

Damm an der Straße von Meisdorf zur Hohe

Erforderlich, wenn HRB Ermsleben nur klein oder gar nicht gebaut wird.

Der Sauerbach liegt nicht im FFH-Gebiet

 

HRB Ermsleben

Die im Flachland üblichen Maßnahmen wie Deichrückverlegungen oder Retentionsflä­chen bieten sich hier in der Selkeaue an - im Gegensatz zu dem engen Selketal und seinen Nebentälern. Darum müssen die in der Aue gegebenen Möglichkeiten für den Schutz von Ermsleben, Reinstedt, Hoym und Gatersleben auch genutzt werden. Der Schutz vor einem Hochwasser für alle diese Orte wäre wesentlich höher, als es mit dem HRB Meisdorf möglich wäre.

Vor Ermsleben kann auf der Fläche, die bei dem Hochwasser 1994 eine spontane Retentionsfläche darstellte, ein Damm oder eine Staumauer entlang der Bahnlinie bis zum Pappelteich und bis zum südlichen Rand des Flusstales gebaut werden, wo bei maximal möglichem (wenn erforderlich) Aufstau von 10 m ein Rückstau bis kurz vor Meisdorf mit einem Stauvolumen von ca. 2 Mio m³ entstünde.

Die Einschränkungen der betreffenden Fläche für die Nutzung durch die Landwirt­schaft sollten über entsprechende Entschädigung an die Landwirte akzeptabel sein. Da in diesem Bereich nur die Selke mit ihrem Uferbereich FFH-Gebiet ist, sind hier die Konflikte mit dem Naturschutz gering.

 

Umflutmulde Reinstedt

1994 ist in dem offensichtlich ehemaligen Flußbett ein Teil des Hochwassers geflossen. Dieses Flußbett ist wieder herzurichten und ist nicht FFH-Gebiet.

Am Ortseingang von Reinstedt werden zwei Sperrbauwerke errichtet, die bei Hoch­wasser so gesteuert werden, dass die schadlos durchleitbare Wassermenge durch den Ort und die darüber hinausgehende Menge über die Umflutmulde fließt. Diese Maßnahme verursacht von allen hier vorgeschlagenen die geringsten Kosten.

 

HRB Getel

Mit dem Bau eines neuen Rückhaltebeckens kurz vor der Mündung der Getel in die Selke würden die Wassermassen aus Ballenstedt – einem Einzugsgebiet von ca. 36 km² - aufgenommen und ein Schutz vorwiegend für Hoym erreicht werden.
Die Getel liegt nicht im FFH-Gebiet.

 

HRB B6

Das Damm- bzw. Brückenbauwerk der B6 über die Selke oberhalb von Gatersleben zeigt in seiner Gestaltung mit seinen seitlichen Entlastungsöffnungen bereits, dass man hier mit Hochwassergefahr gerechnet hat.

Der Landesbetrieb für Hochwasserschutz hat es aber trotz der prekären Situation für Gatersleben unterlassen, hier den Brückendamm in den Hochwasserschutz einzube­ziehen.

Es besteht aber nach wie vor die Möglichkeit, dieses Bauwerk für temporären Rück­stau zu nutzen. Dieser könnte bis kurz vor Hoym reichen, wobei man die dort betrof­fene Kläranlage als Einzelbauwerk in Insellage sichern müsste.

 

Umflutmulde Gatersleben

Diese Umflutmulde ist deshalb sinnvoll, weil ein Starkregen nicht nur im Harz nie­dergeht, wo er im HRB Ermsleben aufgefangen würde, sondern wenn er in der Selke­aue niedergeht.

In den vergangenen Jahren wurde durch Kanalisierung der Selke im Ort ein Schutz­niveau von HQ 20 erreicht. Da dieser zum Schutz von Gatersleben vor einem Hochwasser aus dem Entstehungsgebiet der Selkeaue als nicht ausreichend angesehen wird, schlagen wir den Bau einer Umflutmulde vor, die einen wesentlich höheren Schutz bietet.

Dieses Bauwerk folgt einem historischen Flußlauf und ist nicht FFH-Gebiet. Es verläuft von dem neu gebauten Wehr südlich von Gatersleben, dann westlich Gaters­leben bis Hausneindorf und entlang des Bahndammes bis zur Mündung in die Bode oder als Ausbau des Grenzgrabens wieder in die Selke. Sie wird durch einen ca. 1,5 m hohen Deich gegen den Ort Gatersleben (östlich) und den westlichen Rand des Überschwemmungsgebietes von 1994 gebildet.

Bitte lesen Sie die in meinem Vortrag weggelassenen Ausführungen in der Nieder­schrift der heutigen Beratung. Weitere Informationen zu allen mit dem Thema HWS im Selketal im Zusammenhang stehende Themen finden Sie auf unserer Internetseite www.rettet-das-selketal.de . Ich hoffe, für die nächsten Beratungen Diskussionsstoff geliefert zu haben und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Anlage

Schreiben des Bundesamtes für Naturschutz vom 29. Aug. 2003 an den NABU Sachsen-Anhalt.

 
 


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